Frauenstreiktag Uster

Rede am Frauenstreiktag Uster
14. Juni 2019, Stadthausplatz

Liebe Frauen, liebe Männer, liebe Anwesende hier auf dem Stadthausplatz in Uster

Heute ist nationaler Frauenstreiktag, der zweite in dieser Form überhaupt. Gerade heute Morgen habe ich mit Schülern und Schülerinnen an der Kantonsschule Wetzikon über das Thema diskutiert. Der Austausch zwischen den Generationen ist sehr spannend und aufschlussreich gewesen. Was heisst es, Frau zu sein, Kinder haben und in die Berufswelt oder die Politik einzusteigen? Wer unterstützt einen dabei? Wie setzt man sich durch, und was heisst es, eine Führungsrolle zu übernehmen?

Ich habe den Jugendlichen in Wetzikon meine eigene Geschichte erzählt. Ich habe erzählt, dass ich 25 Jahre alt war, als ich im 4. Semester Architektur studierte. Damals war ich Mutter von einem mehrmonatigen Säugling. Mit dem Baby im Snugli stand ich genau hier, auf dem Stadthausplatz Uster in der Menschenmenge. Es war der 14. Juni 1991. Es war der Tag des ersten nationalen Frauenstreiktags. Ich wusste damals überhaupt noch nicht, wohin die Reise gehen wird.

Damals gab es kaum Betreuungsangebote in Uster. Das Geld als Studentenfamilie war sehr knapp, das Studium streng. Ich bin dann, mit 31 Jahren und Mutter von inzwischen vier kleinen Kindern, in die Politik eingestiegen. Parallel dazu habe ich angefangen, mein eigenes Architekturbüro aufzubauen. So hat sich eins nach dem anderen ergeben. Heute stehe hier als Stadtpräsidentin. Ich darf mich mit unglaublich vielen spannende Aufgaben befassen. Ich trage aber auch Verantwortung und bin eine der wenigen Frauen in der Schweiz, die einer städtischen Regierung vorstehen.

In den 50 grössten Schweizer Städten stehen nur in 7 Städten Frauen an der Spitze. Und wenn wir uns weltweit umsehen, sieht es nicht besser aus. Hier muss sich unbedingt etwas ändern! Ich rufe Euch Frauen daher zu auf: Beteiligt Euch in der Öffentlichkeit! Übernehmt Verantwortung! Bringt weibliche Sichtweisen in die Politik ein!

Der Frauenanteil in den Gemeindeexekutiven des Kantons Zürich liegt bei 26,7 Prozent. Das ist lediglich ein Viertel, obwohl Frauen die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. Frauen sind also massiv untervertreten in den lokalen Exekutiven. Nicht so in Uster: Seit einem Jahr haben wir eine Frauenmehrheit im Stadtrat. Unser Anteil beträgt 57,1 Prozent. Das ist aussergewöhnlich – aber nicht überraschend: Uster hat sich schon in seiner Vergangenheit von anderen Gemeinden unterschieden. Schon 1998 hatte Uster mit Elisabeth Surbeck eine Stadtpräsidentin und zählte damit zu den ersten grösseren Gemeinden, die von einer Frau geführt wurden.

Uster setzt aber nicht nur auf weibliche Köpfe, sondern setzt sich auch für Lohn- und Chancengleichheit ein. Seit Mitte dieser Woche wissen wir dank einer Studie, dass die geschlechtsspezifische Lohndifferenz beim Ustermer Verwaltungspersonal bei lediglich 2,5 Prozent liegt. Damit unterschreiten wir den Toleranzwert von 5 Prozent deutlich, den die Lohncharta fordert.

Aber auch mit der Lohngleichheit geben wir uns noch nicht zufrieden. Schon vor einem Jahr, parallel übrigens zur Lohngleichheit, hat sich der Stadtrat noch andere Ziele zuoberst auf die Agenda gesetzt: Bei Kaderfunktionen in der Verwaltung streben wir eine Gender-Balance an. Und zeitgemässe Arbeitsbedingungen sind für die Stadt Uster ein weiterer Punkt, um eine attraktive Arbeitgeberin zu sein. Als attraktive Arbeitgeberin sind wir bereit, uns mit unseren Anliegen und Haltungen auch klar zu positionieren: Für den heutigen Frauenstreik hat der Stadtrat den Verwaltungsangestellten eine unbürokratische Teilnahme an der heutigen Kundgebung hier auf dem Stadthausplatz während der Arbeitszeit ermöglicht. Obwohl politisch umstritten, steht der Stadtrat weiter hinter diesem Entscheid, der rechtlich legitim und kantonsweit einmalig ist.

Uster ist aber nicht nur eine Stadt für Frauen – sondern eine «Stadt für alle». Wir wollen, dass jede und jeder dazugehört. Das ist natürlich ein Thema, das weit über die Geschlechterfrage hinausgeht. Gerade deshalb passt es zum heutigen Frauenstreiktag. Denn eine vielfältige und farbige Gesellschaft, die von Gleichbehandlung, Akzeptanz und Toleranz geprägt wird, ist eine bessere Gesellschaft. Dafür zu kämpfen, lohnt sich. Nicht nur für sich selber, sondern auch jene, die nach uns kommen.

Aus der Begegnung mit den jungen Menschen heute Morgen in der Kantonsschule Wetzikon habe ich drei Erkenntnisse mitgenommen:

Erstens: Der bisherige Weg hat sich gelohnt, wir haben schon einiges erreicht!

Zweites: Wir sind noch nicht am Ziel.

Und deshalb Drittes: Wir müssen den Weg weitergehen – zusammen mit der nächsten Generation.

Der heutige Tag ist der erste Schritt dazu. Ich danke allen, die hier organisiert und mitgeholfen ganz herzlich und danke auch allen, die sich an der Debatte beteiligen, sie weitertreiben und helfen, Verbesserungen zu erreichen.  

Vielen Dank.

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